SOPHIE ERLUND
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Silent empire (2017)

 

silent empire, 2017 (curated by Janine Eggert und Sibylle Jazra)
Funkhaus Berlin, de
photo: Janine Eggert

featuring works:
unity house, 2013

Das Funkhaus Berlin, in der DDR die zentrale Sendeanstalt des staatlichen Funk und Fernsehens und eines der architektonischen Wahrzeichens Ostberlins, wurde nach der Wende weltbekannt für seine einzigartige Akustik. Vom 8. bis 16. September 2017 wird dort nun mit „Silent Empire“ erstmals der sogenannte Resonanzkörper, ein funktionaler, akustischer Hohlraum, zum Ausstellungsort erweckt.

Kuratiert von Janine Eggert und Sibylle Jazra wird die Gruppenausstellung mit Arbeiten von über 20 internationalen, aufstrebenden und etablierten Künstlern diesen architektonischen Gegenentwurf zum eigentlichen Funkhaus in ein Paralleluniversum verwandeln.

Der Resonanzkörper, die sogenannte „Rückseite” der beiden großen Aufnahmesäle, ist ein rät- selhaftes Beton-Konstrukt. Es erfüllt auf den ersten Blick nichts, was für die Präsentation von Kunstwerken nötig ist. Es scheint sogar in seiner Monumentalität, seiner Kargheit und spärlichen Beleuchtung das augenscheinlich schmucklose Pendant zu den prunkvollen und repräsentativen Sendesälen des Fünfziger-Jahre-Baus mit seinem in Marmor verkleideten Foyer zu sein.

Die beiden Künstlerinnen und Kuratorinnen Janine Eggert und Sibylle Jazra knüpfen mit der Wahl dieses ungewöhnlichen Ortes an ihr Ausstellungsprojekt „Arcadia Unbound“ an, das im Jahr 2015 das Funkhaus Berlin als Kunstort wiederentdeckte. Nun wird der Resonanzkörper als „Negativort“, der nicht für die Öffentlichkeit bestimmt war, mit ausgewählten künstlerischen Arbeiten bespielt:

So wird beispielsweise die Videoarbeit „Supernature“ der Künstlerin Lotte Meret Effinger gezeigt, in welcher sich Protagonisten, Spielzeug und Schminkutensilien filmisch inszeniert zu bedrohlichen, irrealen Wesen verwandeln: eine Gruppe läuft als Dämonen maskiert durch den Wald, sorgfältig manikürte Hände ordnen Kosmetikprodukte in einem okkult anmutenden Ritual. Die dargestellten Körper erhalten durch Soundtrack und Zeitlupe einen fremdartigen Ausdruck während die Bildsprache eine eigenwillige Analyse medialer Wechselwirkungen zwischen patriarchalen Strukturen und Darstellungen des weiblichen Körpers ist.

Die Diaprojektion „Einriss“ der Berliner Künstlerin Anke Völk schafft einen luministischatmosphärischer Erlebnisraum: Ein direkt auf die Wand projizierter Riss aus Licht verwebt das Materielle mit dem immateriellen, der konkrete Raum aus Beton wird zu einem fragilen Gebilde, das sich aufzulösen scheint.

Okka-Esther Hungerbühlers skulpurale Arbeiten entspringen einer direkten und unvermittelten Übersetzung ihrer Gedankenwelt, die sie dann geballt und konzentriert in ein Kunstwerk überträgt, wobei ihr ganz besonders wichtig ist, dieses mit der größtmöglichen Freiheit zu tun. Ihre Arbeit „Gartenparty“ präsentiert sich als beinahe Mensch gewordene, lampenartige Skulpturengruppe. In ihrer humoristischen Ausstrahlung wirkt diese wie das opportunistische Gegenmodell zu der Kargheit des fensterlosen Ausstellungsraumes.

„Vamping: Part Three, The Provisional Adoration“ des New Yorker Filmemachers und Künstlers Zefrey Throwell ist ein filmisches Reenactment des Caravaggio Werkes „Christi Geburt mit den Heiligen Franziskus und Laurentius“. Als Teil einer Serie von Bearbeitungen klassischer Meister ist das im künstlerischen Atelier gedrehte Video halb Fetisch Film, halb Slapstick, wenn die Protagonistinnen in einem food fight die Geburt Christi als Transformation einer Melone darstellen.

Die Wechselwirkungen zwischen der atmosphärischen Beschaffenheit des Ortes einerseits und der Materialität und Ausdruckskraft der Kunstwerke andererseits spiegeln den Raum als etwas Organisches, als eine Art dynamisches Gewebe wider. Durch die temporäre Präsenz der Werke verwandelt sich der Ausstellungsraum in eine Landschaft, durch die die Besucher wandeln können. Der Titel „silent empire“ versteht sich dabei als poetischer Verweis auf dieses versteckte und geheimnisvolle Reich, das durch die Ausstellung zugleich aus dem Schatten des prunkvollen Funkhauses tritt.